Shallys Geschichte

[Begin of my Story]

Meine Geschichte begann 1987. Mit meinem damaligen Partner wünschte ich mir ein Kind. Schnell wurde ich schwanger, vermutlich zu schnell für meinen Partner. Sehr zeitig in der Schwangerschaft wusste ich, dass ich mit meinem Kind allein sein würde. Aber gerade das hatte ich nicht gewollt: Ich eine alleinerziehende Mutter und mein Kind ein Schlüsselkind. Meine Mutter hatte mir schon früher immer mal wieder von ihrer Kindheit ohne Vater erzählt. Sie war dabei sehr offen und hat über ihre Gefühle und Wünsche gesprochen. So begann ich sehr früh über die Zukunft meines Kindes nachzudenken.

Ich nahm Kontakt zur Adoptionsvermittlung des Caritas auf und traf hier auf eine sehr einfühlsame Dame. Ich berichtete ihr, wie ich mir die Adoption und die nachfolgende Zeit vorstellen könnte. Sie berichtete mir von ihrer Arbeitsweise und ermöglichte es, Familien kennen zu lernen, die bereits ein oder mehrere Kinder adoptiert hatten. Nach einige Wochen mit unregelmäßigen Besuchen in der Vermittlungsstelle legte mir die Dame drei Lebensläufe von möglichen Adoptiveltern vor, von denen ich eine auswählte.

Mit dem Kind im Bauch wuchs der Gedanke der Adoption und begann das Genießen der kurzen Zeit, die wir zusammen haben sollten. Ich brauchte meine Schwangerschaft nicht zu verstecken und wollte es auch gar nicht. Ich habe dieses Kind in meinem Bauch geliebt. Ich habe es durch den Bauch umarmt, gestreichelt und wir haben miteinander "gesprochen" - ich mit Worten, sie mit zartem Klopfen, Fußtritten, Boxhieben und Purzelbäumen.

In meiner Familie wurden meine Gedanke zur Adoption sehr unterschiedlich aufgenommen. In meiner Mutter habe ich eine treue Freundin und ihr immer offenes Ohr für meine Pläne, Sorgen und Entscheidungsschwierigkeiten gefunden. Mein Vater reagierte anfangs mit Vorwürfen, später akzeptierte er meine Entscheidung hat sie mit getragen. Meine Großmutter versuchte mir die Adoption zu verbieten. Wir streiten uns bis heute darüber (Schade). Ich habe in dieser Zeit Freunde gefunden, wieder gefunden und verloren. Ich habe aus meinen Gedanken kein Geheimnis gemacht. Die Umgebung kam stellenweise schlecht mit dem Thema Adoption zurecht. Ich gehe damit bis heute offen um. Meine nähere Umgebung weiß von meiner Tochter und dass die in einer Adoptivfamilie lebt.

Meine Tochter wurde nach einer anfänglich komplizierten und dann sehr schönen Schwangerschaft Ende 1987 geboren. Ich hatte eine befreundete Hebamme mit zur Geburt ins Krankenhaus genommen. Vielleicht erlebte ich darum eine friedliche Geburt und keinerlei Ablehnung. Noch im Kreissaal verabschiedete ich mich vom meiner Tochter: "Mach's gut, meine Kleine. Ich werde Dich immer so lieb haben, wie die vergangenen Monaten und bestimmt nicht vergessen. Aber mehr kann ich jetzt nicht für Dich tun." Ich streichelte ihr noch ganz vorsichtig die Wange. Ich traute mich nicht, sie in die Arme zu nehmen. Ich hatte Angst, ich könnte sie dann nicht mehr hergeben. Es war danach ganz still im Kreißsaal.

Einen Tag später kam meine Mutter und besuchte mich im Krankenhaus. Sie fragte, ob sie das Baby sehen dürfte. Später erzählte sie, dass sie mein Töchterchen auf den Armen genommen hatte. Zwei Tage später kamen die künftigen Eltern mit ihrem Sohn (auch adoptiert) und nahmen den ersten Kontakt zum Kind auf. Über die Namensvergabe hatten wir uns schon vor der Geburt geeinigt. Es sollte ein Doppelname werden, der erste Name von den neuen Eltern, der zweite von mir.

Ich hatte während der Schwangerschaft einen Anzug gestrickt. Den hatte meine Tochter zur Taufe an. Außerdem habe ich für meine Tochter zwei Kuscheltiere und einen Brief mitgegeben, in dem ich berichte, welche Umstände und Gedanken mich dazu bewegten, sie in eine neue Familie zu geben. Diesen Brief hat sie meines Wissen noch nicht gelesen.

Nun begann ein zeitweise reger, zeitweise etwas spärlicherer Briefwechsel, der bis heute anhält. Ich habe inzwischen zwei dicke Ordner voller eingeklebter Fotos und Briefen von den Eltern und auch von meiner Tochter selbst. Sie hat mir geschrieben, dass sie selbst auch schon einen zweiten Ordner angelegt hat. Ich schicke seltener Fotos, denn ich verändere mich selbst nicht so sehr wie sie. Sie hat mir Bilder gemalt und wunderschöne Dinge gebastelt. Ich habe ihr selbst gemaltes und gebasteltes zum Geburtstag geschickt. Seit neuestem nutzen wir beide die modernen Mittel der Kommunikation, die erste E-Mail habe ich erhalten und natürlich beantwortet.

Etwa einmal im Jahr treffe ich mich mit den Eltern auf "neutralem Boden" privat bei der Dame vom Caritas (inzwischen pensioniert). Ich mag die Eltern sehr gern. Ich denke, sowohl meiner Tochter wie auch mir selbst konnte nichts besseres passieren, als diese Familie zu finden. Ich hatte die Möglichkeit eines Neuanfangs mit sozialem Aufstieg, der mir als alleinerziehende Mutter sicher nicht gelungen wäre. Sie hat in ihrer jetzigen Familie die besten Chancen für einen guten Start ins Leben erhalten, die ich ihr als alleinerziehende Mutter so hätte nicht geben können. Der Preis ist hoch, ich denke für uns beide. Ich habe den Abschied (hoffentlich auf Zeit) zu verarbeiten, sie den vielleicht nicht immer ganz einfachen Status des Adoptivkindes. Aber ich habe versucht für sie da zu sein, wenn auch nur auf dem Papier. Ich habe versucht ihr zu zeigen, dass sie mir wichtig ist. Ich bin froh, dass sie ihre Eltern liebt, wie Kinder ihre Eltern eben lieben und umgekehrt. Ich möchte so etwas wie eine gute Freundin sein. Und wenn ich hier von meiner Tochter spreche, dann nur deshalb, weil ich ihren Namen nicht nennen möchte.

Ich habe das Bedürfnis, meiner Tochter so viel zu erzählen und zu erklären. Ich denke aber, ich muss mich bremsen. Ich möchte sie so gern ermuntern, Fragen zu stellen. Aber ich denke, ich sollte auf diese Fragen warten. Sie ist sehr vorsichtig und einfühlsam. Sie fragt ganz vorsichtig an, ob es mir etwas ausmacht, wenn ich ihren jetzigen Zunamen kenne. (Sie weiß vermutlich nichts von dem seit Jahren gebrochenen Inkognito. Und ihr Zuname steht in der Mailadresse.) Sie fragt ganz zaghaft, ob ich nicht mal wieder ein Foto von mir schicken könnte. (Sie hat einen Kalender mit Bildern von mir und meiner Familie bekommen.)

Und ich? Ich habe Nächte vor dem letzten Treffen mit ihren Eltern schlecht geschlafen und musste immer daran denken, dass meine Tochter vielleicht mit zum Treffen kommen möchte. Ich nehme an, sie ist jetzt alt genug, um neugierig zu sein. Und ich habe mit meinen Gefühlen nicht daneben gelegen. Sie hat darüber nachgedacht, sich aber dann entschlossen, noch zu warten und alles mit mir selbst aus zu machen. Ich denke, es ist auch für sie nicht einfach. Das nächste Treffen könnte evtl. zu fünft statt finden. Die Mama hat gefragt, was denn wäre, wenn meine Tochter mich kennen lernen möchte. Ja, ich möchte meine Tochter live kennen lernen. Ich möchte so gerne wissen, wie sie lacht (Die Mama hat mir erzählt, sie lacht wie ich.), ich möchte ihre Stimme hören. Auch meine Familie ist offen für ein Kennenlernen.

Wir haben gemeinsame Leidenschaften: Pferde und malen. Ich würde so gern mit ihr die Hofreitschule in Wien besuchen. Ich kann mir vorstellen, es würde ihr Spaß machen und sie interessieren. Ich habe Lust neben ihrem Pflegepferd herzurennen (in der Hoffnung sie reitet nicht schneller als Trab).

Und ich würde sie so gern umarmen (wenn ich darf).

[End of my story]

 

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