Gedichte zur Adoption

Mein Spiegel

Spieglein, Spieglein sage es mir,
das Bild, zeigt es nicht in Dir.
Was ich sehe, zeigt zwar mich,
jedoch nicht mein ganzes ICH.
Verschwommen ist in Dir mein Bild,
doch die Zeit verdeckt es mild.

Spieglein, Spieglein, wer ich bin sollst Du mir zeigen,
leise rauscht der Wind draussen in den Zweigen.
Der Wind, er weiss woher er kam, wohin er geht,
bei mir es in den Sternen steht.

Eines Tages, als ich wieder in den Spiegel sehe,
spontan ich auf die Suche gehe.
Sage mir, steh' auf und kläre Deinen Stand,
gehe hin und knüpfe wieder fest das Band.

Erst dann zeigt mein Spieglein deutlich und klar,
wer ich bin und wer ich immer war.

Regina (Ina Gina) Reichhart im Oktober 2001

 

Mutter

Zwiegespräch einer Adoptierten

Mutter sag, wo gingst Du hin,
hast Du vergessen, dass Dein Kind ich bin?

Nein mein Kind, vergessen habe ich Dich nie.

Mutter, warum hast Du mich verlassen?

Mein Kind, im Gestern konnte ich meine Zukunft
noch nicht erfassen.

Mutter meine Trauer, war sie Dir klar?

Mein Kind ich hoffte, dass es so besser für Dich war,
in meinem Herzen warst Du stets bei mir.

Mutter, werde ich Dich einmal wiedersehen?

Mein Kind, vielleicht wird es geschehen
und wir werden uns gegenüberstehen.

Mutter, wann und wie wird es sein?

Mein Kind gestern warst Du noch so klein, heute wirst Du älter sein,
und voll mit Fragen nach dem Warum,
eines aber will ich Dir im Heute sagen,
trotz meiner Angst stelle ich mich Deinen Fragen.

Mutter ist es Dir recht
mit dem Wort Mutter geht es so schlecht,
wenn dann ich beim Vornamen Dich nenne?
Ich werde erst Frieden finden
wenn ich Dich irgendwann einmal kenne.

Mein Kind, nenne mich so wie Du es willst,
ich wäre so froh wenn Du meine Sehnsucht stillst.

Regina (Ina /Gina) Reichhart

PS. Hiermit danke ich allen mir bekannten Herkunftsmüttern, die mir speziell in den letzten Monaten geholfen haben zu verstehen. Mir Mut gemacht haben und mich in dem Glauben bestärkt haben, nicht aufzugeben. Vielen Dank Euch Allen. Ina (12.10.2001)

 

Wer Schmetterlinge lachen hört...

Wer Schmetterlinge lachen hört,
Der weiß wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein, ungestört von Furcht,
Die Nacht entdecken.

Der wird zur Pflanze, wenn er will,
Zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
Und kann in einer Stunde,
Durchs ganze Weltall reisen.

Der weiß, daß er nichts weiß,
Wie alle anderen auch nichts wissen;
Nur weiß er, was die anderen und
Auch er selbst noch lernen müssen.

Wer in sich fremde Ufer spürt
Und Mut hat, sich zu recken,
Der wird allmählich ungestört
Von Furcht sich selbst entdecken.

Abwärts zu den Gipfeln
Seiner Selbst bricht er hinauf;
Den Kampf mit seiner Unterwelt
Nimmt er gelassen auf.

Wer Schmetterlinge lachen hört,
Der weiß wie Wolken schmecken,
Der wird im Mondschein, ungestört
Von Furcht die Nacht entdecken.

Wer mit sich selbst in Frieden lebt,
Der wird genauso sterben,
Und ist selbst dann lebendiger,
Als alle seine Erben.

NOVALIS

 

An Franka

Kleines Mädchen
schau zurück!
Ohne Eltern
trotzdem Glück!
Viele Menschen, die Dich lieben
schau ruhig hin
und Du wirst siegen...

Linh - Gedicht vom 14. Oktober 2000

 

Es waren einmal zwei Frauen,
die sich nie begegnet waren.
Eine an die du dich nicht erinnerst
die Andere die du Mutter nennst.
Zwei verschiedene Leben,
zur Vollendung eines einzigen, dem deinen.
Die Eine war dein guter Stern,
die Andere ist deine Sonne.
Die Erste gab dir das Leben,
die Zweite lehrte dich es zu leben.
Die Erste erschuf in dir den Hunger nach Liebe,
Die Zweite war da um ihn zu stillen.
Die Eine gab dir deine Wurzeln.
Die Andere gab dir ihren Namen.
Die Erste gab dir deine Fähigkeiten,
die Zweite gab dir ein Ziel.
Die Eine erschuf in dir Emotionen.
Die Zweite beruhigte deine Ängste.
Die Eine erhielt dein erstes Lächeln.
Die Andere trocknete deine Tränen.
Die Eine gab dich frei zur Adoption,
das war alles was sie für dich tun konnte.
Die Andere betete darum ein Kind zu haben,
und Gott führte sie zu dir.
Und nun, wenn du unter Tränen,
die ewige Frage mir stellst.
Vererbung oder Erziehung,
wessen Frucht bin ich denn nun?
Weder der einen noch der anderen, mein Kind
sondern einfach die Frucht zwei verschiedener Formen der LIEBE.

Von einem unbekannten phillipinischen Autor
Epilog aus dem Buch "Adopte moi quand-même" von Josette Dufour

 

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Es sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
Des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
und obwohl sie mit euch sind,
gehören sie euch doch nicht....
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts,
noch verweilt es beim Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.

Khalil Gibran